Erste Erfahrungen in der Rechtsprechung mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Datum: 27.06.2007

Kurzbeschreibung: 

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Erstmals seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am 18.8.2006 liegen aussagekräftige Zahlen über die Relevanz dieses Gesetzes im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg vor. Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Für den Zeitraum vom 18.8.2006 bis zum Stichtag 18.4.2007 ermittelte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg landesweit Zahlen über Rechtstreitigkeiten aus dem Bereich des AGG. In diesem Zeitraum gingen insgesamt 109 Verfahren bei den Arbeitsgerichten ein, bei denen Normen aus dem AGG zur Anwendung kommen. Dies sind ca. 0,3 % der insgesamt in diesem Zeitraum erstinstanzlich eingegangenen Verfahren. Von den 109 Rechtstreitigkeiten mit AGG - Bezug sind 64 Fälle bereits erledigt. Die Erledigung erfolgte im wesentlichen durch Vergleiche, in 12 Fällen durch Urteil. Häufigstes Diskriminierungsmerkmal war das Alter (36 %), gefolgt von Geschlecht (28 %), Behinderung (18 %), ethnischer Herkunft (11 %). Bei 73 % der Rechtsstreitigkeiten wurde eine unmittelbare Benachteiligung geltend gemacht, im Übrigen beriefen sich die Kläger auf eine mittelbare Benachteiligung. Von einer mittelbaren Benachteiligung wird gesprochen, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren diskriminieren können. Macht z.B. ein Arbeitgeber seinen Beschäftigten Vorschriften, welche Kleidung diese während der Arbeitszeit zu tragen haben, können hierdurch bestimmte religiöse Gruppen besonders betroffen sein (z.B. Kopftuchverbot).

Die Diskriminierungen wurden zahlreich im Zusammenhang mit Bewerbungen geltend gemacht (38 %) und verteilten sich darüber hinaus auf den Bereich der Kündigungen (36 %) und der bestehenden Arbeitsverhältnisse (26 %). Die gewünschten Rechtsfolgen bestanden zu 75 % in der Geltendmachung einer Entschädigung oder Schadensersatz. Teilweise wurde auch die Unwirksamkeit einer Kündigung oder anderer arbeitsrechtlicher Maßnahmen geltend gemacht.

Insbesondere im Zusammenhang mit Stellenausschreibungen und Vorstellungsgesprächen tauchen interessante neue Rechtsfragen auf:

Das Arbeitsgericht Karlsruhe war beispielsweise mit der Frage befasst, ob eine Diskriminierung eines männlichen Bewerbers wegen seines Geschlechts vorliegt. Die Bewerbung dieses Klägers wurde mit der Begründung abgelehnt, die Stelle der Filialleitung eines Modegeschäftes, welches überwiegend Damenbademode und Damenmode anbietet, solle ausschließlich mit einer weiblichen Person besetzt werden.

Vor dem Arbeitsgericht Stuttgart obsiegte ein Kläger in Höhe von € 1.500,00 mit einer Entschädigungsklage: Er erhielt im Rahmen seiner Bewerbung auf die Stelle als „Betreuungskraft und Springkraft im Rahmen der Verlässlichen Grundschule in Teilzeit“ eine Absage mit der Begründung, die Wahl sei auf Mitbewerberinnen gefallen. Der Kläger war von seiner Ausbildung her objektiv geeignet, die Tätigkeit als Betreuer zu übernehmen. Nunmehr hätte die Beklagte beweisen müssen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutze vor Benachteiligung vorgelegen hat. Dies ihr nicht gelungen, da sie keine sachlichen Gründe für die Auswahlentscheidung nennen konnte.

Im Rahmen eines Anerkenntnisurteils wurde beim Arbeitsgericht Ulm der Auskunftsanspruch eines Klägers gegenüber einer Personalberatungsfirma auf Nennung des Namens ihres Kunden zuerkannt. Hintergrund dieses Auskunftsverlangens war die Geltendmachung der Diskriminierung wegen Alters. Das Personalberatungsunternehmen lehnte die Bewerbung des 55-jährigen Klägers mit der Begründung ab, die Altersstruktur der Mitarbeiter bei ihrem Kunden mache es erforderlich, für das maximale Alter eine Schwelle deutlich unter 50 Jahren zu setzen.

Die Frage, ob im Rahmen der Eingruppierung Elternzeiten bei Ermittlung der Berufsjahre zu berücksichtigen sind, verneinte das Arbeitsgericht Heilbronn. Eine mittelbare Diskriminierung wurde von Seiten der Klägerin damit begründet, dass von der Inanspruchnahme von Elternzeiten regelmäßig mehr Frauen als Männer betroffen seien. Das Gericht führte dazu aus, die  unterschiedliche Behandlung von Elternzeiten und aktiven Beschäftigungszeiten sei gerechtfertigt, da bei der Vergütungshöhe auf die beruflichen Erfahrungen abgestellt werden dürfe.

Im Rahmen von Kündigungsrechtstreitigkeiten sind die Fragen der Diskriminierung wegen Schwerbehinderung oder ethnischer Herkunft diskutiert worden. Insoweit machen die Kläger in der Regel geltend, der vom Arbeitgeber genannte Kündigungsgrund wie Schlechtleistung oder mangelnde persönliche Akzeptanz sei lediglich vorgeschoben. So behauptete ein Kläger arabischer Herkunft vor dem Arbeitsgericht Lörrach, sein Vorgesetzter habe vor Ausspruch der Kündigung geäußert, seine Intoleranz beruhe auf der arabischen Abstammung des Klägers als „genetisch bedingt und nicht verbesserbar“. Diese Einstellung liege der Kündigung zugrunde. Ob diese Bemerkung tatsächlich gefallen ist, wurde nicht mehr aufgeklärt. Das Verfahren endete aufgrund eines Abfindungsvergleiches.

Prof. Dr. Francken

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